Medikamentöse Behandlung der Rheumatoiden Arthritis: Ein Überblick

Veröffentlicht am
26.9.2024
Zuletzt bearbeitet am
6.11.2024
Lesedauer:
7 Minuten

Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die in erster Linie die Gelenke betrifft, aber auch andere Organe befallen kann. Typischerweise äußert sich RA mit Symptomen wie Schmerzen, Schwellungen und Morgensteifigkeit der betroffenen Gelenke, vor allem an Händen und Füßen.

Rheumatoide Arthritis tritt häufig symmetrisch auf und kann unbehandelt zu Deformierungen und Funktionsverlust der Gelenke führen. Bei RA greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe an, insbesondere die Gelenkinnenhaut, die Synovia. Dies führt zu Entzündungsprozessen, die den Gelenkknorpel und die angrenzenden Knochen schädigen. Unbehandelt kann RA zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und zu Behinderungen führen.

Die Behandlung der RA zielt darauf ab, die Entzündung zu kontrollieren, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, die Schmerzen zu lindern und die Funktionalität der betroffenen Gelenke zu erhalten.

Die medikamentöse Therapie ist ein wesentlicher Bestandteil des Behandlungskonzepts.

Rheuma-Medikamente lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Es werden Medikamente bei Rheuma eingesetzt, die Symptome lindern. Andere Medikamente gegen Rheuma beeinflussen die Erkrankung an ihrem Ursprung, dem Entstehungsprozess der Entzündungen.

In der Regel wird eine medikamentöse Therapie durch Bewegung, Physiotherapie, Ergotherapie und eine gesunde Lebensweise ergänzt.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wissenschaftlich belegten Behandlungsansätze für RA. Er legt einen besonderen Fokus auf medikamentöse Therapien, die bei Rheumatoider Arthritis eingesetzt werden.

Dieser Artikel informiert allgemeinen über Medikamente, die bei Rheumatoider Arthritis eingesetzt werden. Er ersetzt nicht die medizinische Aufklärung. Welche Therapie für den individuellen Krankheitsverlauf geeignet ist, muss immer holistisch mit den behandelnden Ärzt:innen besprochen werden.

Schmerz- und Entzündungskontrolle: Nichtsteroidale Antirheumatika

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) gehören zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis. Sie werden insbesondere in der frühen Krankheitsphase oder bei akuten Schüben eingesetzt.

NSAR wirken schmerzstillend und entzündungshemmend. Zu den gängigsten NSAR zählen Ibuprofen, Acetylsalicylsäure (ASS) , Diclofenac und Naproxen. Sie wirken, indem sie die Produktion von Prostaglandinen hemmen – Substanzen, die eine wichtige Rolle bei der Entzündungsreaktion spielen.

NSAR können Schmerzen und Entzündungen kurzfristig lindern, sie werden als Schmerzmittel bei Rheuma eingesetzt. NSAR haben jedoch keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf oder die zugrunde liegende Autoimmunreaktion.

NSAR sind jedoch nicht frei von Nebenwirkungen. Insbesondere bei längerfristiger Anwendung können sie sich auf den Magen-Darm-Trakt (Magengeschwüre, Blutungen) und das Herz-Kreislauf-System (erhöhtes Herzinfarktrisiko) auswirken. Deshalb wird empfohlen, NSAR nur in der niedrigstmöglichen wirksamen Dosis einzunehmen.

Glukokortikoide: Schnelle Entzündungshemmung

Glukokortikoide wie Prednison oder Methylprednisolon sind potente entzündungshemmende Medikamente, die bei RA häufig zur schnellen Kontrolle schwerer Entzündungen eingesetzt werden. Umgangssprachlich werden Glukokortikoide auch als Cortison-Präparate bezeichnet. Sie wirken durch die Unterdrückung der Immunantwort und hemmen entzündungsfördernde Zytokine, die eine zentrale Rolle im Krankheitsprozess spielen.

In der Praxis werden Glukokortikoide oft als Bridging-Therapie eingesetzt. Sie sollen die Zeit bis zur Wirkung einer langwirksamen Basistherapie (DMARDs) überbrücken.

Kurzfristig sind sie sehr effektiv, um Entzündungen zu unterdrücken und Schmerzen zu lindern. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung wird jedoch empfohlen, die Dosis so schnell wie in der individuellen Situation möglich in einen niedrigen Dosisbereich zu reduzieren und die Medikamente langfristig auszuschleichen.

Basistherapie mit Disease-Modifying Antirheumatic Drugs (DMARDs)

Die Basistherapie der RA zielt darauf ab, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen oder zumindest erheblich zu verlangsamen. Zu diesem Zweck werden sogenannte "Disease-Modifying Antirheumatic Drugs" (DMARDs) eingesetzt. Diese modulieren die Aktivität des Immunsystems und greifen somit an der Basis der Entstehung des Entzündungsprozesses an. Die Wirkung fast aller verfügbaren Medikamente benötigt eine gewisse Zeit und dauert je nach Substanz und individueller Reaktion 4 bis 16 Wochen, bis sie vollständig ist.

DMARDs werden in zwei Hauptkategorien unterteilt: konventionelle synthetische DMARDs (csDMARDs) und biologische DMARDs (bDMARDs).

Konventionelle synthetische DMARDs (csDMARDs)

Zu den csDMARDs gehören Wirkstoffe wie Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin und Leflunomid. Diese Medikamente sind in der Regel die erste Wahl in der Behandlung von RA und werden oft als Monotherapie oder in Kombination eingesetzt.

  • Methotrexat ist das am häufigsten verschriebene DMARD und gilt als Goldstandard in der RA-Therapie. Es hemmt die Aktivität bestimmter Enzyme, die für die Entzündungsreaktion von Bedeutung sind, und reduziert so die Krankheitsaktivität. Methotrexat wird in niedrigen Dosen einmal pro Woche eingenommen, kann aber Nebenwirkungen wie Übelkeit, Leberfunktionsstörungen und eine Beeinträchtigung der Blutbildung verursachen. Regelmäßige Blutuntersuchungen sind daher notwendig.
  • Sulfasalazin erreicht nahezu die Wirksamkeit von Methotrexat, verursacht jedoch eine etwas höhere Toxizität. Toxizität bezeichnet eine Stoffeigenschaft des Wirkstoffes. Eine höhere Toxizität bedeutet, das der Wirkstoff mit mehr Risiken für Nebenwirkungen einher gehen kann.
  • Hydroxychloroquin wird oft als alternative oder ergänzende Therapie eingesetzt, insbesondere bei milderen Verläufen. Es hat eine geringere Wirkung als Methotrexat, ist jedoch ebenfalls entzündungshemmend und gut verträglich.
  • Leflunomid ist eine weitere Option, die insbesondere bei Patienten eingesetzt wird, die Methotrexat nicht vertragen oder darauf nicht ansprechen. Leflunomid hat eine ähnliche Wirkung wie Methotrexat, kann jedoch Nebenwirkungen wie Durchfall und Leberschäden verursachen.

Biologische DMARDs (bDMARDs)

Biologische DMARDs sind biotechnologisch hergestellte Medikamente, sogenannte Biologika [§LINK§]. Sie greifen gezielt in den Entzündungsprozess ein, indem sie spezifische Moleküle oder Zellen des Immunsystems blockieren. Sie werden in der Regel eingesetzt, wenn csDMARDs nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden.

Zu den bDMARDs gehören verschiedene Klassen von Medikamenten, die auf unterschiedliche Entzündungsfaktoren abzielen:

  • TNF-Inhibitoren (z. B. Adalimumab, Infliximab, Etanercept) blockieren den Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α), einen zentralen Botenstoff der Entzündungsreaktion. Diese Medikamente sind besonders wirksam bei der Kontrolle der Krankheitsaktivität und können die Gelenkzerstörung verlangsamen. Allerdings erhöhen sie das Risiko für Infektionen, insbesondere Tuberkulose.
  • IL-6-Inhibitoren (z. B. Tocilizumab) hemmen das Interleukin-6, ein weiteres Zytokin, das eine Schlüsselrolle bei der Entzündung spielt. Diese Medikamente werden oft eingesetzt, wenn TNF-Inhibitoren nicht wirken oder nicht vertragen werden.
  • B-Zell-Therapien (z. B. Rituximab) zielen auf die B-Lymphozyten, eine Zellgruppe des Immunsystems, die bei der Antikörperproduktion und damit auch bei der Autoimmunreaktion eine Rolle spielen. Diese Therapie wird oft bei schwerem Verlauf oder nach Versagen anderer bDMARDs eingesetzt.
  • T-Zell-Kostimulationshemmer (z. B. Abatacept) hemmen die Aktivierung der T-Lymphozyten, die ebenfalls an der Entzündungsreaktion beteiligt sind.

Biologische DMARDs werden in der Regel als Infusion oder Injektion verabreicht und erfordern regelmäßige Überwachung, um Nebenwirkungen wie Infektionen oder allergische Reaktionen frühzeitig zu erkennen. Umgangssprachlich werden sie auch als Rheuma-Spritzen bezeichnet.

JAK-Inhibitoren: Eine neue Generation von DMARDs

Eine relativ neue Klasse von Wirkstoffen in der RA-Behandlung sind die Januskinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren), wie Upadacitinib,  Tofacitinib oder Baricitinib. Diese Medikamente wirken, indem sie bestimmte Enzyme (Januskinasen) blockieren, die an der Signalübertragung von entzündungsfördernden Zytokinen beteiligt sind.

JAK-Inhibitoren bieten eine wirksame Alternative zu biologischen DMARDs und können oral eingenommen werden. Auch hier besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko, weshalb regelmäßige Kontrollen notwendig sind.

Einzel- oder Kombinationstherapie

Bei den genannten Kategorien handelt es sich nicht um ein “entweder oder”. Je nach individueller therapeutischer Situation können die Arzneimittel der jeweiligen Substanzklassen auch miteinander kombiniert werden. Ausschlaggebend dafür ist das Ansprechen, die Verträglichkeit und das Risiko für Nebenwirkungen.

Die medikamentöse Behandlung der rheumatoiden Arthritis hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Mit einem breiten Spektrum an Medikamenten – von NSAR und Glukokortikoiden zur kurzfristigen Kontrolle über csDMARDs und bDMARDs bis hin zu JAK-Inhibitoren – kann die Krankheitsaktivität effektiv reduziert und die Gelenkzerstörung verlangsamt werden. Entscheidend ist eine frühzeitige Diagnose und ein rascher Therapiebeginn, um bleibende Schäden zu verhindern. Die Behandlung sollte individuell angepasst und regelmäßig überwacht werden, um den bestmöglichen Therapieerfolg zu gewährleisten und Nebenwirkungen zu minimieren.