Fibromyalgie - eine komplexe Diagnose

Veröffentlicht am
8.7.2024
Zuletzt bearbeitet am
25.9.2024
Lesedauer:
5 Minuten

Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, die mit Schmerzen in verschiedenen Körperregionen einhergeht. Sie wird auch als Fibromyalgie-Syndrom (FMS), generalisierte Tendomyopathie oder Faser-Muskel-Schmerz bezeichnet.

In Deutschland leiden Schätzungen zu Folge 1,4–6,6 % der Bevölkerung an Fibromyalgie. Sie gilt als eine häufige Schmerzerkrankung.

Fibromyalgie geht mit diversen Symptomen einher. Oft ist deren Ursache nicht erklärbar, was die Diagnosestellung für Behandelnde sehr komplex macht. Denn einen einfachen Fibromyalgie Test gibt es nicht.

Um andere Ursachen für auftretende Symptome auszuschließen, müssen üblicherweise verschiedene medizinische Fachgebiete konsultiert werden. Dazu zählen schmerztherapeutische, psychosomatische, neurologische, internistische, orthopädische und rheumatologische Experten.

Für Betroffene ist der Weg zur Diagnose oft sehr lang, was mit enormen Belastungen einher gehen kann.

Wie die Diagnose Fibromyalgie gestellt wird und was du selbst tun kannst, um proaktiv mitzuwirken, wird in diesem Artikel beschrieben.

Erstevaluation & Anamnese

Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) kann von vielfältigen Symptomen begleitet werden. Dabei sind auftretende Symptome häufig nicht spezifisch für Fibromyalgie, sondern können auch bei anderen Erkrankungen auftreten.

Aus dem Grund reicht es nicht aus, Leitsymptome zu bestätigen. Auch müssen andere Ursachen für die auftretenden Schmerzen ausgeschlossen werden, um die richtige Therapie einzuleiten.

Im Rahmen des ersten Gespräches (Erstevaluation) mit dem Arzt oder der Ärztin wird eine ausführliche Anamnese durchgeführt. Eine Anamnese ist eine systematische Befragung zum Gesundheitszustand, der Schmerzsymptomatik und weiteren typischen Symptomen.

Zu den Leitsymptomen von Fibromyalgie zählen laut medizinischer Leitlinie

  • chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen
  • Schlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf
  • Müdigkeit bzw. Erschöpfungsneigung, die körperlich und geistig bzw. kognitiv auftreten kann

Hierbei ist es wichtig und hilfreich, wenn du auftretende Symptome bereits im Vorfeld sorgfältig dokumentierst. Dazu kannst du ein Tagebuch nutzen oder eine digitale Anwendung wie die Fimo Health App. Dies hilft den Ärzten, die Ursachen für Beschwerden datenbasiert zu verstehen und kann den Diagnoseprozess beschleunigen.

Um den Symptomkomplex zu erfassen, können auch standardisierte Fragebögen genutzt werden. Bei Verdacht auf Fibromyalgie können der Widespread Pain Index (WPI) und die Symptomschweregrad-Skala (SSS, SS-Skala) genutzt werden.

Widespread Pain Index (WPI)

Der WPI misst die Schmerzen verschiedenen Körperbereichen. Dafür werden 19 Körperbereiche ausgewiesen. Jede Zone des Körpers, in der in den vergangenen 7 Tagen Schmerzen aufgetreten sind, wird gekennzeichnet und mit einem Punkt bewertet. Der WPI ist die Summe aus allen Zonen, in denen Schmerzen aufgetreten sind.

Durch das strukturierte Scannen des Körpers, kann der WPI ebenfalls dabei unterstützen, Schmerzen systematisch zu dokumentieren.

In Kombination mit der Symptomschweregrad-Skala ist der Widespread Pain Index Teil der Diagnosekriterien von Fibromyalgie.

Symptomschweregrad-Skala (SSS, SS-Skala)

Die Symptomschweregrad-Skala wird in der Diagnostik von Fibromyalgie angewendet. Sie gibt Auskunft über die Schwere von Symptomen, die zur Diagnose von Fibromyalgie betrachtet werden und gliedert sich in zwei Teile:

Im ersten Teil wird die Schwere der Symptome

  • Müdigkeit
  • nicht erholsamer Schlaf und
  • Konzentrationsstörungen

auf einer Skala von 0-3 beurteilt. Wie beim WIP werden auch in der SSS die letzten 7 Tage zugrunde gelegt.

Im zweiten Teil werden ergänzend somatische Symptome wie Kopfschmerzen, Schmerzen oder Krämpfe im Unterbauch und Depressionen betrachtet.

Die Gesamtpunktzahl wird addiert und ebenfalls in der Diagnose berücksichtigt.

Die Diagnosekriterien der medizinischen Leitlinien besagen, dass Symptome auf eine Fibromyalgie hinweisen, wenn

  1. WPI ≥ 7 und SSS ≥ 5 oder WPI 4-6 und SSS ≥ 9
  2. Generalisierte Schmerzen in 4 von 5 Regionen
  3. Symptome sind seit ≥ 3 Monaten vorhanden

Grundsätzlich kann die Diagnose Fibromyalgie unabhängig von und zusätzlich zu anderen Diagnosen gestellt werden. Dennoch werden üblicherweise weitere Untersuchungen durchgeführt, um andere Ursachen auszuschließen. Dies ist wichtig, um die optimale Therapie zu erstellen.

Körperliche Untersuchung und Blutuntersuchungen bei Fibromyalgie Verdacht

Um das Symptombild ganzheitlich zu beurteilen und andere Ursachen auszuschließen, werden im Rahmen der Diagnostik eine vollständige körperliche Untersuchung sowie Blutuntersuchungen durchgeführt.

Körperliche Untersuchungen

Eine körperliche Untersuchung umfasst die unmittelbare Untersuchung des Patienten durch den Arzt. Dafür sieht sich der Behandelnde die Körperregion an, tastet sie ab oder prüft auf Schmerzen. Auch hören oder riechen kann Anhaltspunkte in der Diagnose geben.

Die körperliche Untersuchung umfasst auch neurologische und orthopädische Befunde.

Neurologische Befunde sind Ergebnisse aus neurologischen Untersuchungen. Diese umfassen das Gehirn und das Nervensystem. Ziel ist es, neurologische Ursachen wie z.B. Traumata, Multiple Sklerose oder Myasthenia Gravis für auftretende Symptome auszuschließen.

Orthopädische Befunde sind Ergebnisse aus orthopädischen Untersuchungen. Die Orthopädie beschäftigt sich mit Erkrankungen des Bewegungsapparates. Zum Bewegungsapparat zählen die Knochen, Gelenke, Muskeln und Sehnen.

Ziel ist es, orthopädische Ursachen wie z.B. Brüche (Frakturen), Arthrosen oder Osteoporose als Grund für auftretende Symptome auszuschließen.

Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Mitbeurteilung kann sinnvoll sein, um eine eventuell vorliegende Depression oder somatoforme Störung zu erkennen.

Welche neurologischen, orthopädischen oder psychiatrischen Untersuchungen durchgeführt werden, entscheiden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf Grundlage der Krankengeschichte und aktuellen Symptome.

Blutuntersuchungen

Bluttests können Anhaltspunkte für Erkrankungen geben oder solche ausschließen.

Bei Verdacht auf Fibromyalgie werden Analysen des Blutes im Labor genutzt, um Differenzialdiagnosen auszuschließen. Differenzialdiagnosen sind Erkrankungen mit ähnlicher oder nahezu identischen Symptomen.

Bei Verdacht auf Fibromyalgie werden üblicherweise mindestens die folgenden Blutwerte bestimmt:

  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
    Auch als Erythrozytensedimentationsrate (ESR) bekannt, ist die BSG ein Suchtest bei Verdacht auf entzündliche Erkrankungen.
  • C-reaktives Protein (CRP)
    ist ein Entzündungsparameter der erhöht ist, wenn Entzündungen vorliegen.
  • Kleines Blutbild
    Das kleine Blutbild ist die Basisform des Blutbildes. Es gibt Auskunft über die Zusammensetzung des Blutes und das Vorhandensein von irregulären Zellen. Es umfasst zehn Parameter, die Auskunft über den allgemeinen Gesundheitszustand geben.
  • Kreatinkinase (CK)
    Kreatinkinase ist ein Enzym, das zum Beispiel auf Erkrankungen des Herzmuskels oder der Skelettmuskeln hinweisen kann. Auch bei Verbrennungen oder intensivem Kraft- und Ausdauertraining kann der CK-Wert erhöht sein.
  • Calcium
    Als Laborwert gibt Calcium Auskunft über den Knochenstoffwechsel, die Nierenfunktionen und hormonelle Prozesse (endokrinologische Zusammenhänge).
  • TSH
    TSH ist ein Schilddrüsenhormon, das im Labor Auskunft über die Schilddrüsengesundheit gibt.
  • Calcidiol
    Calcidiol ist eine Vorstufe des Vitamin D3. Es gibt Aufschluss über die Versorgung des Körpers mit Vitamin D.

Sind diese Blutwerte auffällig, werden üblicherweise weitere Untersuchungen durchgeführt, um die Ursache zu erklären. Denn bei Fibromyalgie sind diese Blutwerte in der Regel nicht auffällig.

Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, dessen Ursachen noch nicht gänzlich wissenschaftlich verstanden sind. Nach aktuellem Stand der medizinischen Wissenschaft liegt eine Fibromyalgie vor, wenn Symptome wie chronische Schmerzen, Schlafstörungen und Fatigue nicht durch eine andere Ursache erklärt werden können.

Bis heute gibt es keinen definitiven Fibromyalgie Test. Die Diagnose basiert auf bestimmten Diagnosekriterien, wie z. B. der Anzahl von schmerzhaften Körperregionen in Verbindung mit weiteren Symptomen, unter Betrachtung der Krankengeschichte, der körperlichen Untersuchung und dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Labortests können verwendet werden, um andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen.

Das ältere "Tender-Point"-System ist für die Diagnose nicht mehr erforderlich, wird aber in der Praxis noch teilweise genutzt.