Schmerz, eine physiologische Warnfunktion
Warum verspürt man Schmerzen? Schmerzen entstehen bei einer Überbelastung oder einer Verletzung von Gewebe. Es ist also eine physiologische Warnfunktion des Körpers. Diese Warnfunktion soll dazu führen, dass man schmerzauslösende Ereignisse vermeidet oder sich diesen Schmerzreizen entzieht. Legst du beispielsweise eine Hand auf eine heiße Herdplatte, verspürst du ein starkes brennen, welches dich dazu bringt, deine Hand intuitiv wieder wegzuziehen. Dies ist ein Beispiel, wie Schmerzen entstehen können.
Schmerzen können durch verschiedene Reize auf die Schmerzrezeptoren entstehen. Zum einen, wie in unserem Verbrennungsbeispiel, durch thermische Reize wie Hitze und Kälte. Zum anderen durch mechanische Reize wie Druck, Verletzungen, Quetschungen oder Verbrennungen, oder aber auch durch chemische Reize wie Entzündungen, Säuren oder Gifte. Neben den verschiedenen Schmerzentstehungen gibt es unterschiedliche Schmerzarten:
Grundsätzlich lassen sich Schmerzen in physiologische & neuropathische Schmerzen unterteilen. Der physiologische (nozizeptive) Schmerz, wird durch Reizungen der Nervenendigungen, wie zum Beispiel durch Hautverletzungen, Knochenbrüchen oder auch Hitze ausgelöst. Der neuropathische Schmerz entsteht dagegen durch Verletzungen oder Fehlfunktionen des Nervensystems. Dies können beispielsweise Trigeminusschmerzen oder Phantomschmerzen sein.
Zudem lassen sich Schmerzen in mehrere Kategorien einteilen. Zu diesen Kategorien zählen die Dauer (akut vs. chronisch), die Schmerzqualität (spitz, stumpf, pulsierend, brennend), die Lokalisation (Kopfschmerz, Leistenschmerz, Gelenkschmerz, Muskelschmerz) und die betroffenen Organsysteme (Muskel- und Skelettschmerz, Eingeweideschmerz).
Schmerzarten bei Multipler Sklerose
Bei Multipler Sklerose spielen vor allem neuropathischen Schmerzen eine große Rolle. Neuropathische Schmerzen sind Schmerzen, die durch eine Schädigungen oder Fehlfunktion des Nervensystems entstehen. Bei Multipler Sklerose wird die Weiterleitung von Nervensignalen gestört und kann dadurch auch Schmerzen verursachen. Dabei unterscheidet man zwischen drei neuropathische Schmerzformen: Trigeminusneuralgie, Dysästhetische Schmerzen und das Lhermitte-Zeichen.
Trigeminusneuralgie
Der Trigeminusnerv ist der fünfte von zwölf großen Gehirnnerven und versorgt sensibel Großbereiche des Kopfes, welche für das Fühlen verantwortlich sind. Eine Schädigung dieses Nerves führt zu neuropathischen Schmerzen. Sogar kleinste Empfindungen im Gesicht, wie zum Beispiel ausgelöst durch einen Luftzug oder beim Kauen von Essen, können zu heftigen, blitzartig einschießenden Schmerzattacken führen. Dabei ist häufig nur eine Gesichtshälfte betroffen und Betroffene spüren diese Schmerzen am Ober- und Unterkiefer, Lippen oder den Wangen.
Dysästhetische Schmerzen
Dysästhetische Schmerzen werden als konstante, brennende Schmerzen beschrieben, die ohne externe Reize auftreten. Dysästhetischen Schmerzen treten üblicherweise nachts in den Beinen und Füßen auf, körperliche Betätigung kann diese Schmerzen verstärken.
Lhermitte-Zeichen
Diese Schmerzform tritt auf, wenn der Kopf leicht oder stark nach vorne gebeugt wird. Dabei verspüren Betroffene elektrisierende Missempfindungen vom Nacken ausgehend bis in die Extremitäten. Diese Schmerzen entstehen durch die Dehnung der schmerzempfindlichen Hirnhäute durch die Beugung der Wirbelsäule.
Andere Schmerzarten
Neben den neuropathischen Schmerzen können bei Multipler Sklerose auch nozizeptiven Schmerzen, also physiologischen Schmerzen auftreten. MS-Patienten sind hier insbesondere von Kopfschmerzen, muskulären Schmerzen (z. B. des Rückens, Nacken, Extremitäten) oder auch von Schmerzen die durch Spastiken und Krämpfe ausgelöst werden, betroffen.
Schmerztherapien bei Multipler Sklerose
Um einer Chronifizierung von Schmerzen entgegenzuwirken, wird angeraten diese zu therapieren.
Als Grundlage für eine Therapie kann es hilfreich für Behandelnde sein, wenn Schmerzsymptome präzise beschreiben werden.

Medikamentöse Schmerztherapie
Unterschiedliche Schmerzformen benötigen unterschiedliche Schmerzmedikamente. Die erste Wahl gegen Neuropathische Schmerzen sind Anti-Krampfmitteln, sogenannte Anti-Konvulsiva wie zum Beispiel Gabapentin oder Pregabalin. Nozizeptive Schmerzen werden nach dem WHO-Stufenschema behandelt. Dieses Stufenschema wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur medikamentösen Schmerztherapie entwickelt.

Ein Patient wird in der Regel zuerst wie in Stufe 1 abgebildet behandelt. Stufe 1 besteht aus einer Nicht-Opioid Therapie. Wenn diese Schmerztherapie nicht erfolgreich ist, können ab der zweiten Stufe Opioide eingesetzt werden.
Nicht-Opioide sind beispielsweise Medikamente wie Ibuprofen, Paracetamol, oder Diclofenac. Tramadol oder Tilidin sind niedrig-potente Opioide, dagegen sind Morphin, Oxycodon oder Fentanyl hoch-potente, also sehr starke Opioide. Koanalgetika sind zum Beispiel Antidepressiva oder Antikonvulsiva. Aduvanzien sind Medikamente, die gegen Übelkeit oder Verstopfungen eingesetzt werden.
Alternative Schmerztherapie
Schmerzen können jedoch nicht nur mit Medikamenten behandelt werden. Es gibt zahlreiche nicht-medikamentöse Ansätze, wie beispielsweise Physiotherapie, Ergotherapie, Massagen oder auch Wärmebehandlungen, die Linderung bewirken können. Auch die Pflege der mentalen Gesundheit ist wichtig und kann bei physischen Schmerzen ebenfalls helfen. Hier kommen zum Beispiel Meditation, Achtsamkeitsübungen oder auch eine Psychotherapie zum Einsatz. In der traditionellen chinesischen Heilmedizin (TCM) wird auch Akupunktur zur Schmerztherapie eingesetzt. Nicht zu vergessen sind eine regelmäßige körperliche Aktivität sowie regelmäßiger Fitness- oder Ausdauersport nicht nur für die körperliche Gesundheit, sondern auch für die mentale Gesundheit.