In Deutschland gibt es ca. 250.000 Betroffene. Am häufigsten tritt ME/CFS im Alter von 11-19 und 30-30 Jahren auf. Frauen sind dabei ungefähr doppelt so häufig betroffen wie Männer. Weltweit geht man von einer Prävalenz von ca. 1% aus. Das bedeutet, dass ca. 70-80 Millionen Menschen weltweit unter myalgische Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) leiden. Jedoch sind schätzungsweise 84 bis 91 Prozent der Patient:innen nicht diagnostiziert. Mindestens 25% der Patient:innen sind bettlägerig oder ans Haus gebunden und bis zu 75% können nicht mehr arbeiten oder die Schule besuchen.
In ca. 50% der Fälle tritt die Krankheit akut nach einer Infektionskrankheit auf.
Weitere Auslöser umfassen beispielsweise
- Operationen
- Schwangerschaft
- Psychosozialer Stress
- Traumata
- Mögliche virale Auslöser, u.a. Epstein-Barr-Virus (Pfeiffersches Drüsenfieber), Zytomegalievirus, Humane Herpesviren
Wie entsteht ME/CFS?
Ursprünge und Auslöser des chronischen Fatigue Syndroms (ME/CFS) sind bis heute nicht abschließend erforscht. Dennoch gibt es verschiedene wissenschaftliche Ansatzpunkte zum Ursprung der Krankheit.
Es gibt 3 Hypothesen zum Ursprung der Erkrankung:
- Chronische Infektion
Da die Krankheit so häufig nach einer viralen Infektion auftritt, gehen viele Forscher:innen von einem Überleben der Viren innerhalb des Körpers aus, welche eine chronische Entzündung auslösen.
Dass Viren im Körper verbleiben und zu einem Späteren Zeitpunkt Symptome auslösen ist kein neues Phänomen. So können zum Beispiel Herpesviren auch Jahre nach der Infektion eine Gürtelrose auslösen, obwohl sich zwischenzeitlich keinerlei Symptome gezeigt haben. - Mitochondrienstörung
Die Mitochondrien kommen in allen unseren Zellen vor und sind sozusagen die Energielieferanten der Zellen. Die virale Infektion führt zur Veränderung des Stoffwechsels der Mitrochondrien. Die Mitochondrien funktionieren nicht mehr regelgerecht und können Zucker nicht mehr in Energie umwandeln. Wenn die Muskulatur nun arbeiten muss, ohne dass sie ausreichend Energie zur Verfügung hat, führt das schnell zu schwerer Erschöpfung.
- Autoimmunerkrankung
Eine bereits bestehende Immunschwäche führt dazu, dass der Körper das Virus bei einer Infektion nicht komplett zerstören kann. Die Folge ist eine bestehende Autoimmunreaktion.
Welche Symptome treten bei ME/CFS auf?
Die Symptome bei ME/CFS sind vielseitig. Im Vordergrund stehen aber die chronische Erschöpfung mit Post-exertional Malaise (oder auch: PEM, Crashs), Schlafstörungen, kognitiven Schwierigkeiten und Schmerzen.
Die drei Leitsymptome bei ME/CFS sind
- chronische Erschöpfung / Fatigue (länger als 6 Monate anhaltend),
- Schlafprobleme und
- Post-exertional Malaise, kurz PEM.
Bei der PEM kann körperliche und geistige Aktivität nach einigen Stunden bis Tagen zur völligen Erschöpfung und Verschlechterung der weiteren Symptome führen. Häufig wird dieses Phänomen auch als Crash bezeichnet, da es dadurch zu einer stark eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Alltag kommt.
Darüber hinaus können folgende Beschwerden in unterschiedlichem Ausmaß auftreten:
- Neurokognitive Symptome (”Brain Fog”), einschließlich Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen, Desorientierung
- Schmerzen, einschließlich Muskel- und Gelenkschmerzen ohne lokale Entzündungszeichen, Kopfschmerzen
- Orthostase-Intoleranz (Kreislaufprobleme beim Aufstehen)
- Neurologische Symptome: Hypersensibilität auf Reize wie Licht oder Geräusche
- Immunologische Symptome, z.B. neue Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Gewichtszu- oder -abnahme
- Psychiatrische Symptome wie Angst, emotionale Instabilität und depressive Symptomatik
Diese Liste deckt aufgrund der diversen Symptomatik nur die häufigsten Beschwerden ab, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Ausschlussdiagnose
Symptome, die bei ME/CFS auftreten können, sind unspezifisch. Sie können also auch durch andere Erkrankungen ausgelöst werden.
Bislang wurde kein biologischer Marker ermittelt, mit dem ME/CFS direkt diagnostiziert werden kann. Daher wird versucht andere Ursachen für auftretende Symptome auszuschließen:
Erkrankungen, die eine ähnliche Symptomatik haben und deshalb häufig vor der Diagnose ME/CFS abgeklärt werden, sind unter anderem:
- Anämie, Malignom oder Infektion
- Depression
- Elektrolytmangel
- Diabetes oder Mangelernährung
- Hyper- oder Hypothyreose
- Eisenmangel
- Leberfunktionsstörung
- Nierenfunktionsstörung
Sollte für die oben genannten Symptomen keine organische oder psychiatrische Ursache feststellbar sein, werden die Diagnosekriterien einer myalgische Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom überprüft.
Die aktuellsten Kriterien dazu wurden 2015 von Institute of Medicine of the National Academies festgelegt. Diese diagnostische Kriterien, die für eine Diagnose ME/CFS erfüllt sein müssen, umfassen:
- eine signifikante Einschränkung oder Unfähigkeit an Berufs- und Sozialleben, persönlichen Aktivitäten oder Bildungswesen teilzunehmen. Diese Beschwerden bestehen mindestens 6 Monate und gehen mit (häufig schwerwiegender) Fatigue einher. Diese Beschwerden sind in neu aufgetreten bzw. nicht angeboren, keine Folge von übermäßiger Aktivität und lassen sich nicht wesentlich durch Erholung lindern.
- Post-exertional malaise (ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung) und
- nicht-erholsamer Schlaf
Notwendig für die Diagnose ist ebenfalls eines der folgenden Symptome:
- kognitive Probleme
- orthostatische Intoleranz (Kreislaufprobleme beim Aufstehen)
Therapie der ME/CFS
Eine medikamentöse Therapie bei ME/CFS gibt es bislang (2024) nicht. Es gibt also keine Medikamente, die helfen, Fatigue zu reduzieren.
Das wichtigste Therapieziel ist das Vermeiden der Post-exertionalen Malaise (PEM), also der Crashs. Hierbei hat sich das Konzept des Pacing als hilfreich erwiesen. Hierbei lernen Patienten, sich ihre Energie nach ihrer individuellen Belastungsgrenze einzuteilen.