Fatigue ist häufige und belastende Nebenwirkung bei Krebspatienten, die sich durch eine tiefe, anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung auszeichnet. Diese Art der Müdigkeit geht weit über die normale Müdigkeit hinaus und ist oft nicht durch Schlaf oder Ruhe zu lindern. Sie kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und betrifft sowohl körperliche als auch geistige Funktionen. Man spricht von krebs-induzierter Fatigue, tumor-induzierter Fatigue bzw Chemotherapie-induzierter Fatigue.
Fatigue bei Krebspatienten: Tumorinduzierte Fatigue
Fatigue beschreibt ein anhaltendes, subjektives Gefühl von körperlicher, emotionaler und/oder kognitiver Erschöpfung, welches nicht im Verhältnis zu der aktuellen Aktivität steht. Ergänzen wir das Ganze nun um den Aspekt “tumorinduziert”, also tumorbedingt, handelt es sich um ein solches Gefühl von Erschöpfung im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung oder auch ihrer Behandlung.
Bis zu 90% der Krebspatient:innen leiden im Rahmen der Erkrankung unter Fatigue. Fatigue ist das häufigste Symptom dieser Erkrankung, bzw. die häufigste Nebenwirkung einer Therapie der Krebserkrankung. Fatigue kann sich mit der zeit zurückbilden, bei 20-50% der Erkrankten chronifiziert sich Fatigue jedoch.
Laut der deutschen Krebsgesellschaft tritt tumorbedingte Fatigue gehäuft bei Leukämien, Lymphomen, metastasiertem Brustkrebs und im Zusammenhang mit Chemo- und Strahlentherapien auf.
Leider wird die Mehrzahl der unter Fatigue leidenden Patient:innen nicht ausreichend behandelt. Wieso? Viele Patient:innen halten das Gefühl der Erschöpfung für eine “normale” Nebenwirkung der Therapie und Ärzten/innen fehlt es oft an Kenntnissen und Fähigkeiten bei der Behandlung dieser Erkrankung.
Was sind Symptome tumorbedingter Fatigue?
Tumorbedingte Fatigue ist vielseitig und kann den Körper, die Emotionen und die kognitiven Funktionen langanhaltend beeinflussen. Häufig leiden Patient:innen unter
reduzierter körperlicher Leistungsfähigkeit
gesteigertem Schlafbedürfnis, das sich nicht befriedigen lässt
anhaltender Müdigkeit und Erschöpfung, auch tagsüber
Gefühl schwerer Gliedmaßen
Motivations- und Antriebsmangel
Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Alltagsaufgaben
Die American Fatigue Coalition definiert die Erkrankung als das Auftreten mehrerer der oben genannten Symptome, welche sich nicht oder nur wenig durch Ruhe und Schlaf lindern lassen und den Alltag deutlich beeinträchtigen, über mehr als 2 Wochen. Einen konkreten Biomarker zum Diagnostizieren des Fatigue-Syndroms gibt es derzeit nicht, somit bedienen sich die Ärzt:innen verschiedener Fragebögen, welche diese spezifischen Symptome erfassen.
Die ersten Symptome, wie etwa starke, anhaltende Müdigkeit im Alltag, können tatsächlich schon vor der Diagnose auftreten; es kommt jedoch auch vor, dass die Fatigue sich erst während der Therapie, bei einem Rückfall oder auch Jahre nach einer erfolgreichen Behandlung entwickelt.
Symptome und Begleiterscheinungen einer Depression und auch die einer Kachexie/Mangelernährung haben viele Gemeinsamkeiten mit der tumorbedingten Fatigue.
Bei der Depression und der Fatigue treten Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Schwächegefühl und depressive Verstimmungen auf. Bei der Depression zeigen sich hingegen häufig auch ein anhaltendes Gefühl von Wertlosigkeit, unangemessene Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit und wiederkehrende Gedanken an den Tod, welche bei der Fatigue nicht üblich sind. Außerdem zeigt sich in der Regel im Rahmen einer Depression eine Besserung der Beschwerden im Verlauf des Tages, im Gegensatz dazu stellt sich bei der Fatigue ein Abfall der Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf ein.
Die Kachexie kann Ursache der Fatigue sein, sollte jedoch als eigene Krankheit wahrgenommen und behandelt werden.
Besonders wichtig ist ebenfalls der Ausschluss von Erkrankungen, welche Symptome wie tumorbedingte Fatigue auslösen können, jedoch potentiell behandelbar sind (z.B. Blutarmut, Elektrolyte, Organische Dysfunktionen, Schilddrüsenunterfunktion, Infektion, Hormone, Vitaminmangel).
Durch die vielen Überschneidungen wird deutlich, dass sich die Fatigue nicht als einzelnes Symptom behandeln lässt, sondern als Symptomcluster im Kontext der Behandlung stehen sollte.
Wie entsteht tumorbedingte Fatigue?
Derzeit sind die komplexen Ursachen noch nicht gänzlich verstanden, aber es gibt einige Hypothesen.
Eine Hypothese beruht auf der Unterteilung der tumorbedingten Fatigue in eine primäre und eine sekundäre Form, die sich in ihren Ursachen unterscheiden.
Mögliche Begleiterkrankungen, ausgelöst durch den Tumor oder die Therapie, können
Diese beiden Formen verbindet die Gemeinsamkeit eines inflammatorischen/entzündlichen Geschehens, welches die aktuellen Forscher als eine schwerwiegende Ursache, bezüglich des Ursprungs der Erkrankung vermuten.
Schlussendlich ist jedoch häufig keine konkrete psychosoziale oder körperliche Ursache feststellbar.
Was kann man gegen tumorbedingte Fatigue tun?
Es gibt aktuell kein Heilmittel gegen Fatigue bei einer Krebserkrankung, dafür aber einige Maßnahmen, welche sich als effektiv bei der Behandlung erwiesen haben.
Ein früher Behandlungsstart ist förderlich, um eine Chronifizierung im Verlauf zu verhindern.
Das Behandlungskonzept beruht häufig auf zwei Säulen: der nicht-medikamentösen und der medikamentösen Säule.
Bei der nicht-medikamentösen Therapie liegt ein Schwerpunkt auf der Beratung der Patient:innen und ihres Umfeldes, dabei werden Möglichkeiten im Umgang mit der Erkrankung (Dosierung von Aktivität und Ruhe, Priorisierungen, Hilfen) aufgezeigt.
In Meta-Analysen und Übersichtsarbeiten hat sich herausgestellt, dass im Bereich der physischen Aktivität vor allem Ausdauer- und Krafttraining, Yoga und Qigong hilfreich sein können, um Fatigue zu reduzieren. Auch mit kognitiver Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren, wie beispielsweise die sogenannte Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), konnte Fatigue reduziert werden. Multimodale Therapieansätze und kombinierte Interventionen scheinen hier sinnvoll zu sein.
Eine medikamentöse Therapie ist derzeit für diese Erkrankung nicht offiziell zugelassen, jedoch kann unter Umständen eine Behandlung mit Psychostimulantien (Methylphenidat, Modafinil) oder Kortikosteroiden in Erwägung gezogen werden. Dies sollte in jedem Falle mit deinem:r Ärzt:in abgesprochen werden! Weitere Medikamente werden diskutiert, jedoch lässt sich noch keine konkrete Empfehlung aussprechen.
Bei tumorbedingter Fatigue handelt es sich um ein anhaltendes, subjektives Gefühl von körperlicher, emotionaler und/oder kognitiver Erschöpfung und Müdigkeit bei Menschen mit einer Krebserkrankung. Die Ursachen sind vielseitig und teilweise ungeklärt. Die tumorbedingte Fatigue kann durch den Tumor, die Tumortherapie oder auch durch die Begleiterkrankungen ausgelöst werden.
Derzeit ist keine heilende Therapie verfügbar. Daher liegt der Schwerpunkt zum einen auf einer ausführlichen Beratung der Patient:innen, in welcher sie Wege erlernen, den Alltag mit der Erkrankung bestmöglich zu erleben. Zum anderen können weitere nicht-medikamentösen Maßnahmen zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel eine Verhaltenstherapie oder körperliches Ausdauer- und Krafttraining.
Das Ziel ist es, dich bei deinem individuellen Umgang mit den Symptomen im Alltag zu unterstützen, deine Stärken und Ressourcen zu aktivieren und Fatigue-verstärkende Effekte zu lindern.
Krebserkrankungen können von großen psychischen Belastungen begleitet werden, die psychische Erkrankungen wie Angst- und Anpassungsstörungen sowie Depressionen bedingen können.