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Diagnose: Multiple Sklerose. Uff, ein ganz schön harter Brocken – nicht nur für Betroffene. Auch für Angehörige ist das eine Situation, die viele Unsicherheiten und Fragen mit sich bringt. Was kommt auf mich und uns zu? Wie soll ich mich verhalten? Am besten ansprechen oder die Person lieber ablenken? Muss ich jetzt im Umgang ganz besonders drauf achten? Was verändert sich in unserem Zusammenleben, in unserer Verbindung oder Beziehung?
All das sind nachvollziehbare Ängste und Sorgen. Auch wenn pauschale Anregungen bei einer so individuellen Krankheit wie MS schwierig sind, haben wir hier einige Tipps für Angehörige im Umgang mit MS-Betroffenen zusammengestellt:
Nr. 1: Samthandschuhe sind tabu!
Auch, wenn es eine schwierige Diagnose ist: Die betroffene Person jetzt mit Samthandschuhen anzufassen, ist keine Lösung. Oft ist man geneigt, ihr alles abnehmen zu wollen, Konflikte zu meiden und gewissermaßen „um sie herumzutänzeln“. Das macht es oft nur schlimmer, wie viele MS-Betroffene berichten. Die betroffene Person in dem zu bestärken, was sie kann und ihr somit die Würde und Kraft zu lassen, die sie trotz ihrer Diagnose immer noch hat, ist dagegen deutlich hilfreicher. Dazu zählt auch: Geduld. Denn bei einer Verschlechterung der MS kann es zur Einschränkung der Beweglichkeit kommen. Begleite die betroffene Person auf ihren Wegen, statt sie ihr abzunehmen. Ihr braucht vielleicht etwas länger, aber dafür wird die Selbstbestimmtheit aufrechterhalten.
Nr. 2 Reden ist Gold
Die goldene Regel lautet: Ehrlichkeit und Offenheit. Du weißt nicht, wie du mit der Diagnose als Angehörige:r umgehen sollst? Kommuniziere auch das offen! Im Zweifel kann dir die betroffene Person am besten selbst sagen, was ihr gerade guttut oder was sie sich im Umgang wünscht. Respektiere sowohl den Wunsch nach Rückzug oder Ablenkung als auch das Bedürfnis, zu reden. Vielleicht hilft es auch, wenn ihr Ärzt:innen-Besuche zusammen macht. So oder so: Ihr werdet zusammen einen Weg finden. Wichtig ist nur, dass alles offen auf dem Tisch liegt. Denn nur mit dem Ausgesprochenen kann man arbeiten.
Nr. 3 Akzeptanz hilft
Einfacher gesagt als getan. Die Diagnose zu akzeptieren bedeutet vor allem, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass die betroffene Person immer noch genau dieselbe Person wie vorher ist – egal, was kommt. Manche (körperliche) Veränderungen werden gravierender sein als andere, aber im Kern bleibt dieser Mensch immer derselbe. Genau so wie du vorher mit ihm:ihr über alltägliche Probleme gesprochen hast, kann auch die MS ein „ganz alltägliches“ Gesprächsthema werden. Das erfordert Übung, wird aber schnell zur neuen Gewohnheit. Totschweigen dagegen hilft (wie so oft 😉) eher weniger.
Akzeptanz bedeutet aber auch, alle möglichen Gefühle, Gedanken und Ängste zu akzeptieren, die im Verlauf der Erkrankung auftreten können – sowohl bei dir selbst als auch bei der betroffenen Person. Keine Frage, es ist eine sehr belastende Diagnose und Krankheit, da ist es völlig menschlich, mit Frustration und Ärger oder auch Traurigkeit zu reagieren. Haltet diese Gefühle nicht zurück – sie sind berechtigt!
Nr. 4 Sich selbst nicht außer Acht lassen
Es ist toll, dass du deine Unterstützung anbietest und der betroffenen Person unter die Arme greifst! Versuche gleichzeitig, nicht um jeden Preis immer stark sein zu wollen. Es ist okay, wenn es dir selbst auch mal nicht gut geht mit der Situation. Gedanken wie: „Reiß dich zusammen, du bist ja schließlich nicht diejenige, die krank ist“ sind in der Regel wenig hilfreich. Denn auch du bist immer noch ein Mensch mit Bedürfnissen und Gefühlen, dem es in dieser schwierigen Situation mal schlecht gehen darf. Sorge dafür, dass du mit jemandem sprechen kannst. Und vor allem: Verzichte nicht auf dein eigenes Leben. Dazu gehört auch, zu lernen, ab und zu Nein zu sagen. Damit kannst du Stress, Erschöpfung und Frustration vorbeugen. Versuche also, auch auf dich selbst zu hören. Wo sind deine eigenen Grenzen? Wann musst du auch mal auf dich und dein Wohlbefinden achten? Räume dir diese Zeit und diesen Freiraum ein. Das ist okay. Denn danach hast du auch wieder genug Ressourcen, um weiter eine großartige Unterstützung zu sein!
Nr. 5 Ausgleich schaffen
Anknüpfend an den obigen Punkt gilt hier: Lebe dein eigenes Leben weiter. Versuche, so gut es geht, Ausgleich zu schaffen – gerade in besonders stressigen Zeiten. Hobbys, Freundschaften und Ablenkung sind vor allem in fordernden und kräftezehrenden Zeiten eine wichtige Energiequelle. Du darfst dir in regelmäßigen Abständen auch erlauben, mal Abstand von der ganzen Sache zu gewinnen und dich zu amüsieren, um die Akkus wieder aufzuladen. Auch, wenn es deinem:r betroffenen Angehörigen gerade nicht gut geht, darf es dir gut gehen. Wenn dich dabei ein schlechtes Gewissen plagt, führe dir vor Augen: Niemandem ist damit geholfen, dass es dir schlecht geht, wenn du dich einschränkst und auf deine Freundschaften und Hobbies verzichtest.
Nr. 6 Netzwerk pflegen und ausbauen
Dieser Punkt ist für dich und den:die MS-Patient:in gleichermaßen wichtig. Dein eigenes Netzwerk zu pflegen, sorgt für deinen Ausgleich und bietet dir darüber hinaus die Möglichkeit für entlastende Gespräche in schwierigen Zeiten. Versuche auch, den:die Betroffene:n dabei zu unterstützen, seine:ihre Freundschaften zu pflegen und in Kontakt mit anderen Menschen zu bleiben. Vielleicht ergeben sich andere Konstellationen, vielleicht vertiefen sich bestimmte Freundschaften oder andere lösen sich mit der Zeit ganz auf. Auch das ist okay. Wichtig ist, herauszufinden, wer in solchen Situationen zu den wirklich engen Freund:innen gezählt werden kann. Außerdem kann es hilfreich sein, sich im MS-Netzwerk Kontakte zu suchen. Falls das Bedürfnis danach bei deinem:r Angehörigen aufkommt, schau doch mal nach Selbsthilfegruppen und/oder Gesprächskreisen in eurer Nähe oder durchforste das gute alte Facebook nach Gruppen für MS-Betroffene.
Nr. 7 Aufgabenteilung
Mit einem guten Netzwerk geht auch einher: Nicht alles musst du selbst erledigen. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu erhöhter Pflegebedürftigkeit kommen. Diesen Bedarf musst du aber nicht allein decken. Versuche, Aufgaben und Betreuungszeiten aufzuteilen, wo immer es möglich ist! Wenn es eure finanziellen Gegebenheiten zulassen, ist natürlich auch professionelle Unterstützung möglich. So oder so ist wichtig: Versuche, dich nicht zu übernehmen. Wenn alle an einem Strang ziehen, musst du nicht alles allein schaffen.
Denk immer daran: Im Zweifel kann dir der:die Betroffene dir am besten sagen, wie du mit ihm:ihr gerade umgehen sollst. Wir hoffen trotzdem, dass da schon mal ein paar brauchbare Punkte für dich dabei waren! Hier findest du die einzelnen Tipps noch einmal übersichtlich zusammengefasst:
