Während der Covid-Pandemie häuften sich immer mehr Berichte von Patient:innen, die nach ihrer Erkrankung fortbestehende Covid-Symptome aufwiesen. Da auch gesunde, sportlich aktive Menschen betroffen sind, war man sich zunächst unsicher, welche Faktoren die Entstehung von Long Covid begünstigen. Forscher:innen haben sich deshalb in einigen Studien mit den Risikofaktoren von Long Covid beschäftigt und tatsächlich erste Hinweise gefunden.
*Zwar spricht man streng genommen vom “Post-Covid-Syndrom”, wenn die Symptome 12 Wochen oder länger bestehen, wir sprechen hier allerdings der Einfachheit halber weiterhin von Long Covid, da es auch umgangssprachlich so gebraucht wird.
Zunächst einmal: Was sind Risikofaktoren?
Risikofaktoren sind Vorbedingungen, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Krankheit zu erwerben, in Verbindung stehen. Risikofaktoren sind aber nicht mit Ursachen gleichzusetzen.Achtung: Solltest du einen oder mehrere Risikofaktoren aufweisen, bedeutet das also nicht sicher, dass du nach einer COVID-19 Infektion Long Covid entwickelst! Da das Thema in der Forschung noch relativ neu ist, sind Studienergebnisse allenfalls als erste Hinweise zu betrachten. Diese müssen dann durch weitere Untersuchungen bestätigt werden, bevor man kausale Zusammenhänge annehmen kann.
Aktuell bedeuten die Ergebnisse also “nur”: Personen, auf die ein oder mehrere der folgenden Faktoren zutreffen, haben potenziell ein höheres Risiko, an Long Covid zu erkranken. Das muss aber nicht automatisch bedeuten, dass sie deswegen tatsächlich daran erkranken.
Frauen sind häufiger betroffen
Frauen sind weltweit häufiger von Long Covid betroffen als Männer. Das bemerkenswerte hierbei ist, dass Frauen zwar seltener schwere COVID-19 Verläufe haben als Männer, dafür aber ein höheres Risiko für Long Covid aufweisen. Eine Befragung der Universität Tübingen zeigte bei 1907 Befragten, die einen positiven PCR-Test hatten, dass Frauen im Vergleich zu Männern ein 1,8fach erhöhtes Risiko hatten, Long Covid zu entwickeln.Vorerkrankungen
Auch die Anzahl an Vorerkrankungen scheint eine Rolle zu spielen: Die besagte Studie aus Tübingen zeigte jeweils einen Zusammenhang von chronischen Krankheiten (z.B Bluthochdruck, Herz- und Lungenerkrankungen oder Depression) und der Einnahme mehrerer Medikamente mit einem erhöhten Risiko, Long Covid zu entwickeln.Autoimmunität
Ein weiterer Faktor, der sich in Untersuchungen gezeigt hat, ist das Vorliegen von sogenannten Autoantikörpern.Antikörper sind körpereigene Proteine, die normalerweise Oberflächenstrukturen auf Krankheitserregern erkennen und binden. Dadurch können die Krankheitserreger gezielt angegriffen werden. Normalerweise werden Antikörper, die an körpereigene Strukturen binden vom Körper aussortiert und zerstört. Es kann jedoch vorkommen, dass dieser Prozess fehlerhaft ist. Das Vorliegen von Autoantikörpern kann andere autoimmunologische Erkrankungen, wie z.B Rheuma oder Lupus auslösen.
In Untersuchungen hat sich ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen solcher Autoantikörper und der Long Covid Erkrankung gezeigt. Bei Patient:innen mit Autoantikörpern werden weniger Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet - das Virus kann also nicht so zielgerichtet angegriffen werden. Das könnte ein längeres Verbleiben der Viren im Körper und somit auch die damit einhergehende Long Covid Symptomatik begünstigen.
Von den untersuchten Patient:innen, die Autoantikörper aufwiesen, hatten aber lediglich 6% eine Autoimmunerkrankung in der Vergangenheit diagnostiziert bekommen. Bei 94% der Patient:innen war also keine Autoimmunkrankheit bekannt. Die Forscher:innen gehen deshalb davon aus, dass sich das Vorliegen von Autoantikörpern erst durch die Covid Infektion bemerkbar macht - in Form von Long Covid.
Diabetes
Eine Arbeitsgruppe aus Indien hat festgestellt, dass ein Diabetes mellitus nicht nur den Covid-Verlauf ungünstig beeinflusst, sondern eventuell auch für Long Covid Symptome relevant sein könnte. Die Long Covid Patient:innen, die zusätzlich an Diabetes Typ 2 litten, berichteten außerdem häufiger von Fatigue und Muskelschwäche.Neuropsychiatrische SymptomeSymptome, die das Gehirn und Nervensystem betreffen, werden häufig von Betroffenen beschrieben. Darunter fallen vor allem Fatigue, depressive Verstimmung und Ängstlichkeit. Risikofaktoren für das Auftreten neuropsychiatrischer Long Covid Symptome (z.B Konzentrationsschwierigkeiten oder Wortfindungsstörungen) sind vor allem neuropsychiatrische Diagnosen in der Vorgeschichte. Woher diese Assoziation kommt, können sich die Forscher:innen noch nicht genau erklären. Als mögliche Gründe werden sowohl die Schädigung von Nervenzellen durch die Coronaviren als auch ein Sauerstoffmangel im Gehirn diskutiert
Zusammenfassung
Es gibt also ein paar Faktoren, die mit Long Covid in Verbindung gebracht wurden. Relevant sind hier vor allem Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder neuropsychiatrische Erkrankungen. Aber auch das Geschlecht kann Einfluss auf das Risiko für Long Covid haben. Diese Risikofaktoren sind, wie gesagt, mit Vorsicht zu betrachten, da die Forschung an Long Covid noch in den Kinderschuhen ist und sich immer neue Erkenntnisse zeigen.Quellen
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