Trend oder Erkrankung? In den letzten Jahren rückten Nahrungsmittelunverträglichkeiten immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Darunter die Histaminintoleranz. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Ratgebern, Diäten, Nahrungsergänzungsmittel, …
Dabei werden Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufiger vermutet, als sie objektiv nachweisbar sind. Das führt zu zahlreichen unnötigen Ernährungseinschränkungen.
Um genau das zu verhindern, schauen wir uns eine der vielen Unverträglichkeiten heute genauer an:
Was bedeutet Histaminintoleranz?
Histamin ist ein biogenes Amin. Es entsteht beim Abbau und Umbau von Eiweißen. In geringen Mengen ist es in fast allen Lebensmitteln zu finden. Darüber hinaus wird es auch von unserem eigenen Körper produziert. Diese Form der Intoleranz ist nicht angeboren, sondern sie entwickelt sich bei den Betroffenen im Laufe des Lebens. Betroffen sind vor allem Frauen ab einem Alter von 40 Jahren. Wie viele Menschen unter dieser Intoleranz leiden, lässt sich aufgrund der geringen Datenmengen aktuell nicht sagen. Expert:innen vermuten, dass etwa 1-3% der Menschen betroffen sind.
Symptome
Betroffene leiden unter verschiedensten Symptomen. Das liegt daran, dass in vielen Organen des Körpers Rezeptoren für das biogene Amin Histamin vorhanden sind.
Besonders häufig haben Patient:innen Magen-Darm-Beschwerden. Eine Studie zeigt, dass bis zu 92% unter Blähungen leiden. Über Völlegefühl, Durchfall, Bauchschmerzen und Verstopfungen berichten 55-73%.
Auch die Haut kann betroffen sein. Es kommt zu Rötungen und Juckreiz.
Selten ist die Atmung und das Herz-Kreislauf-System betroffen. Schwindel, Herzrasen und Blutdruckschwankungen sind Bestandteile dieser seltenen Symptome.
All diese Symptome können unmittelbar oder verzögert nach der Histaminaufnahme auftreten.
Ursache und Diagnose
Wie die Histaminintoleranz entsteht, ist derzeit unklar. Es wird jedoch vermutet, dass ein gestörter Abbau des Histamins die Grundlage der Symptomatik ist. Dazu soll es durch die eingeschränkte Funktion des Enzyms Diaminoxidase (DAO) kommen. Das konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden.
Daher ist es für die Ärzt:innen schwierig, die Diagnose der Histaminintoleranz zu stellen. Es gibt keinen konkreten Laborparameter, der eine Histaminintoleranz nachweisen kann. Eine Möglichkeit ist eine gezielte Provokation. Betroffene nehmen unter ärztlicher Aufsicht in steigender Konzentration Histamin zu sich. Dieses Verfahren ist jedoch nicht im klinischen Praxisalltag etabliert, sondern wird nur im Rahmen von Studien genutzt.
So kommt es dazu, dass viele Patient:innen “doctor shopping” betreiben. Sie gehen von Ärzt:in zu Ärzt:in auf der Suche nach einer Antwort auf die diversen Symptome.
Die Diagnose stellen die Ärzt:innen aktuell auf Grundlage der berichteten Symptome. Ein weiteres Indiz ist die Besserung der Beschwerden unter einer Ernährungsumstellung. Dennoch sollten vorab andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie oder allergische Erkrankungen.
Was kannst du tun?
Die aktuelle Leitlinie empfiehlt eine 3-stufige Ernährungsumstellung. In dieser Zeit ist es sinnvoll ein Ernährungs- und Symptomtagebuch zu führen, um mögliche Zusammenhänge zu erkennen.
- Stufe: Karenzphase - verzichte 2 Wochen auf potenziell auslösende (histaminreiche) Lebensmittel.
- Stufe: Testphase - über 6 Wochen probierst du verschiedene Nahrungsmittel in deine Ernährung zu integrieren. Dabei beobachtest du wachsam deine Symptome und kannst so Auslöser deiner Symptome erkennen.
- Stufe: Dauerernährung - aus den Beobachtungen der letzten Wochen stellst du dir deinen individuellen Speiseplan zusammen.
Mittels der Ernährungsumstellung kann es zu einer besseren Verdauung kommen, sodass du deine Ernährung nicht mehr länger einschränken musst. Das liegt vor allem daran, dass die Dauer, in der das Gegessene, den Magen-Darm-Trakt durchläuft, beeinflusst wird.
Doch wie gehst du in der Karenzphase vor? Was sind histaminreiche Lebensmittel?
Der Histamingehalt ist nicht nur abhängig von dem Lebensmittel, sondern auch von dem Reifegrad, der Lagerdauer und der Verarbeitung. Ein hoher Histamingehalt kann auch ein Zeichen von inadäquater Hygiene in der Lebensmittelherstellung sein.
In verschiedenen Studien empfehlen Forscher:innen darüber hinaus den Verzicht so genannter Histaminliberatoren. Darunter versteht man Nahrungsmittel, die dafür sorgen sollen, dass vermehrt körpereigenes Histamin freigesetzt wird. Ob ein solcher Prozess stattfindet, ist derzeit jedoch nicht bewiesen.
Es gibt diverse Diätempfehlungen. Die Angaben histaminreicher Nahrungsmittel variieren stark in der aktuellen Literatur. Deshalb liegt der Fokus auf der individuellen Ernährungsumstellung, Selbstbeobachtung und dem Ausprobieren. Denn jeder reagiert anders und ganz individuell auf die verschiedenen Lebensmittel.
Um dir dennoch etwas Orientierung zu geben. Haben wir dir einige Tipps zusammengestellt.
Darauf kannst du achten:
- Verzehre vor allem besonders frische Lebensmittel.
- Verzichte auf lange Lagerungen. Besser verträglich ist es Lebensmittel frisch einzufrieren.
- Wärme Fleisch- und Fischgerichte nicht erneut auf.
- Verzichte auf Geschmacksverstärker, sie behindern den Histaminabbau.
- Verwende statt geräuchertem, getrocknetem, gesalzenem oder konserviertem Fisch frischen und tiefgefrorenen Fisch.
- Verzichte auf Hartkäse, Camembert, Schimmelkäse und Harzer Roller. Statt dessen kannst du Milch und Milchprodukte wie Frischkäse, Speisequark und Butterkäse essen. Da junger Käse weniger Histamin, als lang gereifter Käse enthält.
- Bevorzuge Koch- und Brühwurst, gegenüber Rohwurst (Salami, Mettwurst) und rohem Schinken.
- Pflanzliche Lebensmittel (Gemüse, Getreide) enthalten wenig Histamin (Ausnahme: fermentiertes Gemüse).
- Einen hohen Anteil biogener Amine haben: Banane, Ananas, Papaya, Nüsse, Kakao, Schokolade.
- Vermeintliche Histaminliberatoren sind: Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Tomaten, Alkohol, Meeresfrüchte.
- Schränke deinen Alkoholkonsum ein. Kleine Mengen Weißwein, Sekt, Pils sind besser verträglich als Rotwein oder Weißbier.
Diese Tipps können dir in der ersten Phase der Ernährungsumstellung helfen. Ein dauerhafter Verzicht muss nicht nötig sein. Schritt für Schritt kannst du in der Testphase die einzelnen Nahrungsmittel ausprobieren und deine körperliche Reaktion beobachten.
Fazit
Expert:innen vermuten, dass einige Menschen unter den Beschwerden, die mit einer Histaminintoleranz einhergehen, leiden. Vor allem Magen-Darm-Beschwerden treten in diesem Zusammenhang häufig auf. Nachweisen lässt sich die Erkrankung aktuell jedoch nicht. Sollte der Verdacht dennoch im Raum stehen, kann eine Ernährungsumstellung mehr Klarheit schaffen. Mit wachsamen Ausprobieren kannst du herausfinden, was du verträgst und was nicht. Das Ziel ist es unnötige Ernährungseinschränkungen zu vermeiden, sodass Essen wieder zum Genuss werden kann.
Quellen
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7463562/
https://www.mri.tum.de/sites/default/files/seiten/histaminintoleranz_essen_und_trinken.pdf
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32824107/
https://dgaki.de/wp-content/uploads/2022/02/Reese-21-Leitlinie-zum-Vorgehen-bei-V-a-Unvertraeglichkeit-gegenueber-oral-aufgenommenem-Histamin-1.pdf
https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/histaminintoleranz-bei-verdacht-die-ernaehrung-in-drei-stufen-anpassen
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https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/histaminintoleranz-bei-verdacht-die-ernaehrung-in-drei-stufen-anpassen