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Bewegung und tumorbedingte Fatigue
Du hast bestimmt schon zuhauf davon gehört, wie gut Sport und Bewegung für die Gesundheit sind. Aber gerade, wenn eine Tumorerkrankung den Alltag bestimmt und dann auch noch Fatigue hinzukommt, kann es schwer sein sich dafür aufzuraffen. Heute wollen wir uns deshalb anschauen, warum es sich trotzdem lohnt und wie man das ganze am besten angeht.
Positive Effekte von Bewegung
Sport und Bewegung sind nicht nur essenziell für gesunde Menschen, sondern können auch bei Krebserkrankungen und tumor-bedingter Fatigue helfen, deinen Alltag besser zu meistern. Zum einen können dadurch physiologische Prozesse in deinem Körper wie zum Beispiel Blutdruck und dein Immunsystem verbessert werden, was viele Symptome positiv beeinflussen kann. Zum anderen kann aktiv bleiben auch deine mentale Gesundheit und Funktionalität im Alltag verbessern. Es hilft deinem Körper vermehrte Energiereserven zur Verfügung zu stellen, steigert deine Ausdauer und macht dich damit mobiler. Außerdem können Schlafqualität und Konzentrationsfähigkeit gesteigert werden. Nicht zu vergessen ist, dass du dich wohler fühlen und mit mehr Selbstbewusstsein mit deiner Erkrankung umgehen wirst. Und auch bei deiner Fatigue kann körperliche Bewegung dir helfen. Studien haben gezeigt, dass tumorbedingte Fatigue durch regelmäßiges Training um bis zu 35% reduziert und die Lebensqualität gesteigert werden kann.
Wie viel Sport?
Körperliche Bewegung heißt dabei nicht, dass du dich völlig auspowern musst, um die positiven Effekte auf deine Gesundheit zu erreichen. Viel wichtiger ist es, einfach am Ball zu bleiben und Spaß zu haben. Die WHO empfiehlt, dass man sich in der Woche 2.5 – 5 Stunden mit mittlerer bis hoher Intensität bewegen sollte. Das sind 20-30 min/ Tag. Schon dreimal die Woche eine halbe Stunde zügig Spazieren gehen kann ausreichen, um Fatigue zu verringern und sich mental besser zu fühlen. Auch für Krebspatienten wird empfohlen, mindestens 150 min moderater oder 75 min anstrengender körperlicher Aktivität pro Woche so früh wie möglich nach der Diagnose wieder zu erreichen oder aufrechtzuerhalten.
Bewegung in den Alltag integrieren
Allerdings geht es uns natürlich allen so, dass wir oft am Ende des Tages einfach keine Energie oder Motivation mehr übrighaben, um noch Sport zu machen. Es gibt ein paar Tipps und Tricks, die dir dabei helfen können, Bewegung und Sport langzeitig effektiv in deinen Alltag zu integrieren.
Wichtig ist es vor allem, sich solche Aktivitäten von vorneherein fest einzuplanen und zu priorisieren. So sind sie nicht davon abhängig, dass du am Ende des Tages noch Zeit für sie übrighast. Um die Motivation beizubehalten, überlege dir außerdem genau, warum es dir wichtig ist, sportlich aktiv zu bleiben. Finde zudem etwas, das dir Spaß macht. Dabei ist auch wichtig, dass du es langsam angehst und die Intensität an deinen Körper anpasst. Nur so gibst du dir selbst die Möglichkeit, auch lange am Ball zu bleiben.

Sportarten
Welche Art von Bewegung oder Sport du angehen möchtest, bleibt dabei ganz dir selbst und deiner körperlichen Verfassung überlassen. Studien haben gezeigt, dass die Kombination verschiedener Übungsarten die besten Ergebnisse bringt. Deswegen möchten wir dir hier Grundlagen für einige unterschiedlichen sportliche Aktivitäten zeigen.
Ausdauersport
Fangen wir mit Ausdauersport an. Ausdauersport, auch aerobes Training genannt, meint alle Arten von Bewegungen, die große Muskelgruppen über einen längeren Zeitraum beanspruchen und die Herzfrequenz erhöhen. Das reicht von einem Spaziergang bis hin zu Spinning-Kursen oder Joggen.
Studien haben gezeigt, dass schon zwei bis dreimal 30 min. Ausdauersport pro Woche die Fatigue in Krebspatienten verringern kann. Außerdem hat aerobe Bewegung einen positiven Effekt auf andere Nebeneffekte wie Depression, Schlaf- und Angststörungen, und Energielevel.
Ausdauersport muss nicht extrem anstrengend sein, um einen positiven Effekt zu haben. Bereits Training bei mittlerer Intensität (ca. 65% deiner maximalen Herzfrequenz) ist ausreichend. Das erreichen die meisten Menschen bereits bei einem zügigen Spaziergang, einer Runde auf dem Fahrrad, oder einigen Bahnen im Schwimmbad. Auch Teamsportarten wie Fußball, oder Reiten und Tanzen sind Möglichkeiten, den Puls hochzutreiben. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Wichtig ist nur, dass du angepasst an dein Leistungsniveau beginnst. Du musst nicht am ersten Tag neue Weltrekorde erlaufen. Es geht um den Spaß an der Bewegung und darum, deinen Kreislauf ein bisschen in Schwung zu bringen.
Kraft-/Widerstandstraining
Eine weitere Möglichkeit deinem Körper im Alltag zu unterstützen, ist Kraft- und Widerstandstraining. Im Prinzip gehören jegliche Übungen dazu, bei denen deine Muskeln gegen eine entgegengesetzte Kraft arbeiten, sodass sich deine Muskeln vermehrt anspannen und physiologisch mehr Arbeit geleistet wird.
Durch regelmäßiges Training soll nicht zwingend neue Muskelmasse aufgebaut werden, sondern dein Level an Muskeln und Kraft erhalten bleiben. Das ist besonders bei Krebserkrankungen nicht zu unterschätzen. Etwa jeder zweite Krebspatient leidet an Kachexie, also einem ungewollten Gewichts- und Muskelverlust. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, den Prozessen entgegenzuwirken, indem du selbst Widerstands- und Krafttraining betreibst.
Moderates Krafttraining hilft dir auch, deine Balance und Körperhaltung zu verbessern. Es kann außerdem eine positive Auswirkung auf die Stimmung und Lebensqualität haben und deine Fatigue um bis zu 25% reduzieren kann. All das kann dir helfen, mit mehr Energie durch den Tag zu gehen und Aufgaben leichter zu erfüllen.
Empfohlen wird, die großen Muskelgruppen zwei- bis dreimal die Woche zu trainieren. Arten der Übungen und Möglichkeiten gibt es dabei viele. Du kannst zum Beispiel mit deinem eigenen Körpergewicht trainieren, aber auch Widerstandsbändern, Geräte und Gewichte nutzen. Am besten erkundigst du dich dazu bei Spezialist:innen, zum Beispiel bei deinem/r Physiotherapeuten:in oder im lokalen Fitnessstudio. Auch hier gilt, höre auf deinen Körper und führe die Bewegungen korrekt und/ oder unter Betreuung aus, um Verletzungen zu vermeiden.
Sanfte Bewegungsarten
Als letztes wollen wir noch auf einige sanftere Bewegungsarten eingehen, die eng mit des Körperbewusstseins und Körpergeist-Therapie verbunden sind. Ein gesundes Körperbewusstsein beschreibt ein stimmiges, mit sich im Einklang befindliches Gefühl. Man akzeptiert sich selbst und wie sich der Körper anfühlt. Durch einschneidende Veränderungen im Leben wie beispielsweise der Schock einer Krebsdiagnose kann es mitunter zu einer veränderten Körperwahrnehmung führen. Dieses zuvor beschriebene Gefühl des "Einklangs" geht verloren und man nimmt den Körper anders wahr.
Eine Herangehensweise mit dem Körper wieder in Einklang zu kommen, sind Meditation und mindfulness-basierte Übungen. Dazu haben wir euch in anderen Blogbeiträgen[1] schon berichtet. Hier wollen wir uns deshalb stattdessen auf einige Bewegungsarten konzentrieren, die nachweislich die Verbindung zum Körper und auch das körperliche und mentale Wohlergehen verbessern.
Bei sanften Bewegungsarten wie Yoga, Qi Gong, und Flexibilitätsübungen stehen Wahrnehmung des eigenen Körpers, gezielte kontrollierte Bewegung, und deine Atmung im Mittelpunkt. Zum kannst du dadurch deine Gedanken leichter ordnen und in die gewollte Richtung lenken. Zum anderen hilft die gezielte Entspannung und Atmung dabei, Stress zu reduzieren. Klinische Studien belegen zunehmend, dass sie Fatigue und Schmerz verringern, Depression und Angststörungen entgegenwirken, und die Lebensqualität verbessern können. Außerdem führen die wiederholten Bewegungsreize zu verbesserter körperlicher Flexibilität, Stabilität, und – je nach Methode – Kraft. Sie können außerdem Steifheit lindern. Das kann dir dabei helfen, deinen Alltag besser zu meistern und Schmerzen vorzubeugen. Interessant ist, dass Yoga und Qi Gong Fatigue nachweislich genauso gut und teilweise sogar noch mehr verringern können als Kraft- und Ausdauertraining.
Zusammenfassung
Körperliche Bewegung ist wichtig für das allgemeine Wohlbefinden, Gesundheit und auch Reduzierung der Fatigue und Steigerung der Lebensqualität. Dabei gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten, wie du körperlich aktiv sein kannst. Welche Art von Bewegung du machen möchtest bleibt dir überlassen. Wichtig ist nur, dass du körperliche Bewegung im Alltag priorisierst, indem du es fest einplanst, und etwas findest das dir Spaß macht. Höre dabei immer auf deinen Körper und übertreibe es nicht!
Quellen
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