Wir verbringen 1/3 unseres Lebens mit Schlafen. Während des Schlafs sammeln wir Kräfte, verarbeiten Emotionen und Gelerntes.
Unbehandelte chronische Schlafstörungen können ernste Konsequenzen haben. Es besteht ein erhöhtes Risiko, psychische Erkrankungen, Fatigue oder kognitive Einschränkungen zu entwickeln. Außerdem stellt sich häufig eine verminderte Lebensqualität und ein erhöhtes Infektionsrisiko ein.
Ein gesunder und erholsamer Schlaf ist also sehr wichtig. Und da bis zu 95% der Tumorpatient:innen angeben, unter einer Schlafstörung während der Diagnose, der Therapie oder auch 10 Jahre nach erfolgreicher Therapie zu leiden, wollen wir uns hier diesem wichtigen Thema widmen.
Erstmal ein paar Fakten zum Thema Schlaf und Schlafstörungen!
Der Schlaf lässt sich in eine Non-REM (rapid-eye-movement) und eine REM Phase unterteilen. Die Non-REM Phase beinhaltet die Einschlaf-/Wachphase, die Leichtschlaf- und Tiefschlafphase. Alle 70 bis 90 Minuten wechseln sich diese zwei Phasen ab und dies wiederholt sich in einer Nacht etwa vier bis sechs Mal.

Schlafstörungen liegen dann vor wenn, mehr als dreimal in der Woche über einen Monat, von einem verzögerten Einschlafbeginn, einer Störung der Aufrechterhaltung des Schlafs, reduzierte Gesamtschlafdauer und/oder frühmorgendliches Erwachen, verbunden mit übermäßiger Tagesmüdigkeit, Fatigue, verminderter Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden berichtet wird. Diese Diagonse erfolgt in der Regel nach einer ausführlichen Anamnese. Eine zeitintensive Schlaflaboruntersuchung ist selten nötig.
Die Ursachen von Schlafstörungen bei Tumorerkrankungen sind vielseitig. Stress, psychische Belastungen (wie Depression oder Ängste), Schmerzen und Nebenwirkungen der Therapien können eine Rolle spielen. Hier liegt eine wechselseitige Beziehung vor, da unter einer Schlafstörung ebenfalls Symptome wie Fatigue, Schmerz und Atemnot vermehrt auftreten.
Formen der Schlafstörung
Es gibt verschiedene Formen der Schlafstörung. Die internationale Klassifikation der Schlafstörungen unterscheidet sieben Hauptgruppen. Die häufigsten sind hier beschrieben.
- Insomnien (Schlaflosigkeit):
- Hierbei handelt es sich um die häufigste Schlafstörung. Sie ist geprägt durch Ein- und Durchschlafstörungen und häufig begünstigt durch Alkohol, andere Rauschmittel, Stimulanzien (u.a. Kaffee) und zahlreiche Medikamente (z.B. Antibiotika, Antihistaminika, ß-Blocker).
- Schlafbezogene Atmungsstörungen: Die häufigste Form ist hier das so genannte obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS). Störungen der Atmung, oft in Form von Atempausen, lösen dabei eine Weckreaktion. In den letzten Jahren zeigte sich, dass das Risiko an Krebs zu erkranken, sogar an Krebs zu versterben, bei OSAS Patient:innen erhöht ist. Eine frühzeitige Therapie (durch eine maschinelle Unterstützung der Atmung) kann dieses Risiko jedoch auch wieder minimieren.
- Circadiane Störungen: Der Schlaf richtet sich unter anderem nach der inneren Uhr, welche wiederum vom Licht beeinflusst wird. Zu circadianen Störungen kann es kommen, wenn diese Synchronisation der inneren Uhr mit dem Licht nicht mehr möglich ist, wie es bei Erkrankten durch einen zersplitterten Tagesrhythmus oft der Fall ist.
- Schlafbezogene Bewegungsstörungen (z.B.: Restless-Legs-Syndrom = RLS):
- Das RLS umfasst das Auftreten einer unangenehmen Bewegungsunruhe der Beine v.a. in Ruhe (also vermehrt abends und nachts), welche sich durch Bewegung bessert. Oft tritt das Syndrom als Nebenwirkung der Chemotherapie auf. Es gibt viele weitere behandelbare Auslöser des RLS, welche vorerst betrachtet werden sollten (z.B. Nebenwirkungen von Medikamenten, Nervenerkrankungen, Eisenmangel). Ist dies ergebnislos, erfolgt eine in der Regel erfolgreiche medikamentöse Therapie.
- Parasomnien (z.B. Schlafwandeln)
Medikamente und ihre Risiken
Eine große Anzahl der Patient:innen (25-50%), die unter tumorbedingten Schlafstörungen leiden, werden medikamentös behandelt, was eine Menge Nebenwirkungen mit sich bringt. Dabei wird empfohlen, die medikamentöse Therapie erst hinzuzuziehen, wenn eine psychologische Betreuung im tumorspezifischen Setting und die Analyse der Beschwerden nicht erfolgreich war.
Der Fokus der medikamentösen Therapie liegt auf der kurzfristigen Krisenintervention, da nicht-medikamentöse Verfahren häufig nicht sofort wirken.
Ist eine medikamentöse Therapie notwendig, wird sie unter dem Grundsatz “so kurz wie möglich und so niedrig dosiert wie möglich” durchgeführt. Des Weiteren sollte bei einer Besserung eine Reduktion oder Beendigung der Einnahme thematisiert werden.
Medikamente zur Behandlung von Schlafstörungen bringen schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich. Besonders die Gefahr durch das Abhängigkeits- und Suchtpotential und der damit einhergehenden Entzugssymptomatik (v.a. bei Bezodiazepinen und Z-Substanzen) sind zu berücksichtigen. Daher sind diese Medikamente nur für eine Kurzzeittherapie zugelassen. Oft genutzt, trotz fehlender Zulassung, werden Medikamente mit sedierender, also einschläfernder Nebenwirkung. Ein Beispiel wären hier Antidepressiva in einer niedrigeren Dosierung, als sie bei der Depressionsbehandlung gegeben wird. Das Nebenwirkungsspektrum ist hier deutlich geringer.
Mittlerweile bieten auch Drogerien und Apotheken zahlreiche freiverkäufliche Mittel zur Behandlung von Schlafstörungen an. Beispiele sind hier Baldrian, Hopfen, Lavendel oder Mistel. Diese sind sehr beliebt und es heißt, sie können den Schlaf verbessern, jedoch ist das bisher nicht deutlich nachgewiesen. Neben diesen Mitteln ist eine weitere Option ein Melatonin-haltiges Medikament. Es steigert den Spiegel des körpereigenen Schlafhormons Melatonin. Auch hier ist die Beweiskraft bisher gering, teilweise wird von einer verbesserten Tagesaktivität und einem Anstieg der Gesamtschlafdauer berichtet.
Besonders zu beachten ist die Wechselwirkung dieser freiverkäuflichen Hilfsmittel mit anderen Medikamenten. Diese können dadurch abgeschwächt werden oder weitere schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen. Ziehe also auch hier dein:e Ärztin:in hinzu.
Nicht-medikamentöse Therapie
Der aktuelle Goldstandard der Behandlung von Schlafstörungen ist die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien (KVT-I). Die KVT-I verbessert die Schlafeffizienz, das Einschlafen, Aufwachen und den Schweregrad der Insomnie-Symptome.
Bei der KVT-I wird in mehreren wöchentlichen Sitzungen eine multimodale Behandlung durchgeführt, welche Schlafhygiene, Stimulus Kontrolle, Schlafrestriktion, kognitive Therapie und Entspannungstraining beinhaltet. Das Ziel ist es, dabei drei Dimensionen anzusprechen:

KVT-I hat im Vergleich zu der medikamentösen Therapie verbesserte Kurz- und Langzeiteffekte. Die Effekte halten über die Beendigung der Therapie hinaus an, da die Patient:innen Bewältigungsmechanismen erlernen, um akute Schlaflosigkeit zu bewältigen und zukünftige Episoden der Schlaflosigkeit zu verhindern oder abzuschwächen.
Bis zu 70% der Patient:innen unter KVT-I weisen eine Besserung der Schlafstörung auf, begleitet von einer Reduktion von Depression, Ängsten, Fatigue-Symptomen und einer erhöhten Lebensqualität.
Weitere Formen der nicht-medikamentösen Therapie zeigen einen lindernden Effekt, Beispiele hierfür sind Akkupunktur, Tai Chi und Lichttherapie. Metaanalysen zeigen darüber hinaus, dass sich körperliche Aktivität sowohl positiv auf Schlafstörungen auswirkt, als auch auf Fatigue und Schmerz.
Neben all diesen Maßnahmen können schon viele kleine Schritte den Schlaf nachweislich verbessern.
Also hier ein paar Tipps:
Also hier ein paar Tipps:
- nur bei Müdigkeit zu Bett gehen
- im Bett nur schlafen (kein TV schauen, lesen, etc.)
- feste Zu-Bett-Geh und Aufsteh-Zeiten (wenn möglich auch am Wochenende)
- tagsüber nicht schlafen (also keine “Power-Naps”)
- wenn du nach 10 Minuten nicht schlafen kannst: aufstehen und etwas anderes machen, z.B. lesen
- feste Einschlafrituale etablieren (z.B. einen Tee trinken, eine Achtsamkeitsübungen machen, etwas lesen)
- keine elektronischen Geräte kurz vor dem Schlafen (etwa 1-2 Stunden)
- Alkohol 4-6 Stunden, Rauchen und Kaffee 2-4 Stunden vor dem Schlafen vermeiden
- regelmäßige körperliche Betätigung (jedoch nicht direkt vor dem Schlafen, gönn die danach nochmal min. 2 Stunden Ruhe)
- ein dunkles, ruhiges, nicht zu warmes (optimal 18°C) Zimmer
- besonders wichtig ist eine feste Tagesstruktur
Was nun?
Dein erster Schritt ist, sich deinem:r Ärzt:in mitzuteilen. Unbehandelte Schlafprobleme können chronisch werden und zu weiteren Beschwerden führen. Zusammen mit deinem:r Ärzt:in kannst du die Ursachen erforschen und eine für dich passende Therapiestrategie ermitteln.
Vielleicht kannst du mit unseren Tipps schon mal den Anfang machen!
Quellen
https://next.amboss.com/de/article/IG0Y03?q=tumorbedingtefatigue#FoWgdm0